In seinem komplexen Überblick skizzierte Andreas Schulten, einer der kompetentesten Kenner des Immobilienmarktes in der Hauptstadtregion, seine Marktbeobachtungen wie folgt: Tendenziell ist das Immobilienklima seit 2018 sinkend, wobei das Segment Wohnen noch weitgehend stabil bleibt.
Banken signalisieren jedoch schon eher eine eingeschränkte Finanzierungsbereitschaft. Das niedrige Zinsniveau könnte sich aber umkehren und zu besseren Ertragschancen für Anleihen und Wertpapiere führen, was Auswirkungen für den Immobilienmarkt zu Folge hätte. Der Rückgang des Wirtschaftswachstums wird vorerst wohl nur geringe Auswirkungen auf den Wohnkonsum haben.
Die unterschiedliche regionale Nachfrage nach Wohnimmobilien wird die ungleiche Entwicklung in den Ballungsräumen und den ländlichen Gebieten eher unterstützen. Die Grundstücksproblematik wächst insbesondere in den Ballungsräumen seit drei Jahren mit stärkerer Dynamik.
Seit 2016 wird ein Anstieg von Büro- und Hotelprojektvolumina festgestellt, während das Volumen von Wohnimmobilien eher stagniert.
In den größten deutschen Städten wurden je 1.000 Einwohner zwischen 4,98 Wohnungen in Frankfurt am Main und 1,12 Wohnungen in Leipzig fertiggestellt. Berlin liegt mit 2,55 Wohnungen im Mittelfeld zwischen Stuttgart und Düsseldorf.
Eingehend auf die Frage „Immobilienmarkt und Baukapazitäten – Erwischt uns das ungleiche Paar kalt ?“ führte er aus , dass auf dem Baumarkt in Berlin keine Entspannung zu erkennen ist. Obwohl in Berlin so viel gebaut wird wie in Frankfurt am Main, Düsseldorf und Köln zusammen, ist erst ein Drittel des geplanten Bauvolumens bereits fertiggestellt.
Seine Ausführungen zu den Baukapazitäten in der Hauptstadtregion deckten sich weitgehend mit dem Vortrag von Prof. Dr Sundermeier in der IZB-Veranstaltung am 10. Juli 2019: Engpässe bei Material und Personal sind ein Treiber für die Baukosten. Bei Betrachtung der Preissteigerungen nach Gewerken stehen Technische Anlagen, Ausbau- und Rohbauleistungen an der Spitze. Nach wie vor ist die Arbeitsproduktivität im Baugewerbe gemessen an der Gesamtwirtschaft sehr schwach. Die Arbeitsplätze sind wenig attraktiv und auch die niedrigen Löhne sind für das Fehlen von Fachkräften in den Bauberufen mit verantwortlich.
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Frank Schrecker, Vorstandsvorsitzender Wohnungsbaugenossenschaft Berolina eG
Die Sicht der Wohnungsgenossenschaften auf den Immobilienmarkt stellte Andreas Schrecker vor. 90 Wohnungsbaugenossenschaften bewirtschaften in Berlin rund 200.000 Wohnungen. Sie bilden nach den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften das größte Segment des gemeinwohlorientierten Immobilienmarktes. Er stellte die Bau- und Bewirtschaftungsstrategie am Beispiel der Berolina eG vor, die gemäß Genossenschaftsgesetz von 1889 darauf gerichtet ist, „die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern“.
Herausforderungen für alle Genossenschaften sind die Bestandsentwicklung und Anpassung an die demografische Entwicklung, Anpassungen an den Klimawandel und Maßnahmen zum Klimaschutz, die Anpassung an die digitale Zukunft, veränderte Technische Standards, wie z. B Brandschutz und der Neubau von Wohnungen zur Diversifizierung des Wohnungsangebotes. So kann seine Genossenschaft auf die Erfahrungen mit dem Bau von 350 Wohnungen seit dem Jahr 2000 aufbauen.
Gerade für die Begegnung der anstehenden Herausforderungen und den damit verbundenen erforderlichen Investitionen benötigt jede Wohnungsbaugenossenschaft Eigenkapital. Die Herrichtung zur Wiedervermietung einer leergezogenen Wohnung wird auch immer teurer. Hierfür sind bis zu 35.000 Euro je Neuvermietung zu investieren. Um die Zielmarke der Berolina 1.300 seniorenorientierte Wohnungen zu erreichen, das ist ein Drittel des Bestandes, werden Investitionen in Höhe von rund 30 Millionen Euro erforderlich. Bei 1,5 Millionen Mietwohnungen in Berlin, sind das 11,5 Milliarden Euro, die von den Immobilieneigentümern allein für diese Modernisierungen aufgebracht und umgesetzt werden müssen.
Dem steht das Vorhaben des Berliner Senats entgegen, einen Mietendeckel einzuführen. Frank Schrecker begründete die vehemente Ablehnung des Mietendeckels durch die Berliner Wohnungs- und Bauwirtschaft nicht nur mit der Minderung der Mieteinnahmen und deren Fehlen für Investitionen, sondern auch mit der Nichteignung für das Ziel der Mietenstabilisierung. Denn der Zuzug nach Berlin hält an und es werden Wohnungen gebraucht. Es ist zu befürchten, dass der Deckel sogar den Druck auf den Mietwohnungsmarkt noch erhöht, denn Umgehungen durch Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen oder möblierte Wohnungen schaffen nicht mehr Wohnungen, sondern erschweren den Wohnungszugang für Geringverdiener. Zudem ist abzusehen, dass nach dem Aufheben der Mietendeckelung, geplant nach fünf Jahren, ein gewaltiger Mietensprung kommen könnte. Wobei aber bis dahin der Instandhaltungsstau der Wohngebäude immens steigt. Stattdessen empfahl er „Wuchermieten bekämpfen, soziales Mietrecht durchsetzen, faire Vermieter stärken!
Beide Vorträge wurden in reger Diskussion reflektiert.
Mehr als 100 Teilnehmer, Studierende der TU Berlin und externe Fachleute, nahmen an der erfolgreichen Auftaktvorlesung teil. Sie ist eine von der Architektenkammer Berlin anerkannte Fortbildungsveranstaltung.