Am 10. Juli 2019 führten das „InnovationsZentrum Bau Berlin Brandenburg e.V.“ (IZB e.V.) und das Fachgebiet Bauwirtschaft und Baubetrieb der TU Berlin, Univ.-Prof. Dr.-Ing. Matthias Sundermeier, die Vortrags- und Diskussionsveranstaltung im Rahmen des „Berliner Innovationsdialog Bau“ mit Unterstützung des BBU Verband Berlin Brandenburgischer Wohnungsunternehmen durch.
Berlin und der engere Verflechtungsraum sind seit 2011 jährlich um rund 40.000 Einwohner gewachsen. Leerstehende Wohnungen gibt es nicht mehr. Die Mieten und die Kaufpreise für Wohnungen sind ge-stiegen. Dass allein Berlin in den nächsten Jahren rund 200.000 zusätzliche Wohnungen braucht, ist unbestritten. Das wären mindestens 20.000 Wohnungen pro Jahr. Doch die tatsächlichen Neubauzahlen (2018 = 16.700 fertiggestellte Wohnungen) halten nicht Schritt.
Die Veranstaltung klärte verschiedene Fragen, wie z.B.
1. Wie hoch sind die Baupreise heute tatsächlich?
2. Kann die Bauwirtschaft überhaupt mehr Neubau und Modernisierung von Immobilien und Infrastruktur leisten?
3. Wohin könnten sich die Kauf- und Mietpreise entwickeln?
4. Welche Empfehlungen zum kostengünstigen Bauen sollten umgesetzt werden?
Dr. Lippert der Vertreter des Hausherrn und Technische Leiter im BBU stellte eine vergleichende Analyse von 163 realisierten Mietwohnungsneubauvorhaben mit fast 14.000 Wohnungen in Berlin, Branden-burg und in ausgewählten bundesdeutschen Großstädten vor. Die Herstellungskosten der neu gebauten Wohnungen (KG 200 bis 700 Brutto - ohne Grundstückskosten) liegen bei rund 2.500 Euro je Quadratmeter. Sie sind seit 2015 um rund 500 Euro, das sind 20 bis 25 Prozent, gestiegen. Auf der Basis dieser Analyse beschrieb er Elemente einer Strategie kostengünstigen Bauens und erläuterte Handlungsempfehlungen zur Kostensenkung. Kostengünstiges Bauen erfordert immer eine komplexe Betrachtung aller Einflussgrößen und ein entsprechend komplexes Handeln aller direkt oder indirekt Beteiligten.
Die Empfehlungen gliederte er in drei Handlungsfelder:
1. funktionale und kostentechnische Optimierung der Neubauprojekte,
2. prozesstechnische Optimierung in den Unternehmen,
3. Optimierung des Rechts- und Handlungsrahmens.
Insbesondere in letzterem Handlungsfeld müssen Politik und Verwaltung deutlich bessere Voraussetzungen für den Bau neuer Wohnungen schaffen:
Die Studie steht auf den Seiten des des BBU zum Download zur Verfügung.
Anschließend erläuterte Prof. Dr. Sundermeier Marktbeobachtungen zu den Kapazitätsproblemen in Bauhandwerk und Bauwirtschaft.
Angesichts des hohen Auftragsbestandes der Bau- und Ausbauunternehmen muss von der völligen Kapazitätsauslastung des Baugewerbes ausgegangen werden. Das Bauen in Deutschland ist wegen der niedrigen Produktivität und der regional sehr unterschiedlichen Nachfrage nach Bauleistungen von ei-nem Marktversagen zumindest in Teilmärkten bedroht, was zu überlangen Bauzeiten und gravierenden Preissteigerungen führt.
Die Strukturprobleme der Bauwirtschaft und die niedrige Produktivität der Leistungserstellung kenn-zeichnen die Produktivitätshemmnisse:
Die seit 1991 erkannte „Produktivitätslücke“ beim Bauen beträgt ca. 40 %. Die Ergebnisse der Analyse des BBU bekräftigte er. In den letzten vier Jahren sind die Preise für Aus-bauarbeiten um ein Fünftel und für Rohbauarbeiten um ein Sechstel gestiegen, wobei zu berücksichtigen ist, dass sich das Verhältnis der Rohbauarbeiten (KG 300) zu den Ausbauarbeiten (KG 400) auf 40 zu 60 umgekehrt hat. In einzelnen Gewerken, wie bei Heizungs-, Elektro-, Gerüst- und Erdarbeiten, sind im gleichen Zeitraum die Preise zwischen 26 und 38 Prozent gestiegen.
Da auch der Fachkräftemangel im Baugewerbe höher ist als in der Industrie wird sich die angespannte Situation auf dem Baumarkt noch fortsetzen. Hier wäre auf Vorschlag von Prof. Dr. Sundermeier ein „Ausbildungspakt Bauwirtschaft“ dringend erforderlich. Dies ganz besonders auch mit den Hochschulen und Universitäten, denn die Nachfrage der Bauwirtschaft und des öffentlichen Dienstes nach Bauingenieuren kann nicht gedeckt werden.
In der abschließenden langen und lebhaften Diskussion der über 60 Teilnehmer wurden die Inhalte der Vorträge und das neue Format des „BERLINER INNOVATIONSDIALOG BAU“ von IZB und dem Fachgebiet Bauwirtschaft und Baubetrieb der TU Berlin sehr begrüßt. Dieses Forum führt die Vertreter der Bauwirtschaft, der Planer, der Kammern zusammen und hilft die Unzufriedenheit über die Rahmensetzungen von Politik und Verwaltung zu artikulieren.
Mit der Wiederaufnahme der gleichnamigen Ringvorlesung im Wintersemester 2019 /2020 wird an den erfolgreichen Start im vergangenen Oktober angeknüpft. Die Vorträge mit Diskussion werden an folgenden Terminen jeweils um 18:00 Uhr ct stattfinden.